Für die aktuelle Ausgabe der Flamencozeitschrift ¡anda! (Nr 138) habe ich Yiota Peklari portraitiert. Hier ist mein Text.
Coétani – das Festival
Bereits zwei Mal fand „Coétani – Experimental Flamenco Festival“ schon in Athen statt, auf die dritte Ausgabe warten wir sehnsüchtig. Denn dieses Festival ist ganz außergewöhnlich in vielerlei Hinsicht.
„Coétani entstand 2015 aus einem Impuls heraus“
beschreibt die Organisatorin des Festivals, die Flamencotänzerin Yiota Peklari aus Athen. (Über das Festival habe ich schon einige Beiträge geschrieben – diese findet ihr unter dem Suchbegriff Coétani hier im Blog).
„Um ehrlich zu sein: Es entstand gänzlich ohne Plan und Ziel und ich wusste gar nicht, worauf ich mich da einlassen würde. Was ich dabei erlebte, übertraf dann all meine Vorstellungen“ erzählt sie. KünstlerInnen aus der ganzen Welt kamen angereist, um dabei zu sein, selbst etwas herzuzeigen oder zu lernen. Mit der zweiten Ausgabe des Festivals verdreifachte Peklari nochmal alles: Es kamen mehr KünstlerInnen, es gab mehr Konzerte, mehr Workshops.
Und mehr Schulden. Eine Tatsache, die dazu beiträgt, dass die dritte Ausgabe noch ein wenig auf sich warten lassen wird. Pläne und Ziele gibt es diesmal aber bereits: „Das Festival richtet sich ausschließlich an experimentellen Flamenco – nicht nur was die Konzerte betrifft. Auch das gesamte Kursprogramm fokussiert darauf. Und bei der dritten Ausgabe des Festivals, will ich darauf noch einen größeren Schwerpunkt legen. Genauso wie auf das Zusammenspiel der Menschen, die am Festival teilnehmen“, sagt Yiota Peklari.
Playground – das Studio
Das Festival hat einen zentralen Ort, von dem aus sich alles entspinnt: das Studio „Playground for the arts“, das Peklari gemeinsam mit dem Steptänzer/Körpermusiker Thanos Daskalopoulos und dem Perkussionisten Petros Kourtis 2009 eröffnet hat.
Sie alle suchten nicht nur einen Ort, um ihre Kunst entwickeln zu können, sondern wollten auch einen Platz haben für Kunst-Kombinationen und Interaktionen mit anderen. Ihr künstlerischer Knotenpunkt, wie Peklari es nennt, bietet derzeit zwölf KünstlerInnen die Möglichkeit, Workshops zu geben, Festivals abzuhalten oder zu präsentieren. Yiota Peklari unterrichtet dort Flamencotanz und holt regelmäßig andere FlamencotänzerInnen für Workshops nach Athen. Sie selbst achtet in ihren Stunden besonders darauf, ihre SchülerInnen nicht nur in Flamencobewegungen und -musik zu schulen, sondern ihnen Aufmerksamkeit, Respekt, Kommunikationsfreude und Ausdruck mitzugeben. „Ich will ihre Sinne schärfen und ihnen zwei der für mich wichtigsten Eigenschaften des Flamenco vermitteln: Polyrhythmik und die Kraft, zu erzählen“ sagt sie und erklärt weiter: „Für mich ist die Polyrhythmik im Wesentlichen die Essenz einer ausgewogenen Gesellschaft, wo jedes Individuum einzigartig ist und wahrgenommen werden muss. Um aus der Individualität heraus etwas Größeres entstehen zu lassen, müssen wir interagieren – gemeinsam sein“. Flamenco träg für Peklari darüber hinaus noch die Kraft der Geschichte in sich.
„Flamenco hat selbst eine extrem kraftvolle Geschichte in der es um Menschlichkeit geht. Wir müssen zuhören und, wenn wir uns treu bleiben wollen, ein wenig von uns selbst zur Geschichte beitragen. Flamenco handelt von Gefühlen. Um selbst etwas beitragen zu können, müssen wir unsere eigenen Gefühle erforschen und teilen“
führt sie sehr poetisch das Thema der Nachahmung und Kopie im Flamenco aus.
Wie es begann
Dabei war ihr erster Flamencokontakt gar nicht so poetisch: Yiota Peklari war zunächst Balletttänzerin und hatte längst den Entschluss gefasst, damit ihr Leben zu verbringen. Als sie Carmen von Carlos Saura sah, war sie wohl eine der wenigen, die nicht gleich Feuer und Flamme dafür waren und alles hinschmeißen wollten, um fortan Flamenca zu werden. Während ihrer Tanzausbildung in klassischem Ballett und zeitgenössischem Tanz hatte sie eine Lehrerin, die in Spanien gewesen war und ihren SchülerInnen Sevillanas beibrachte – und die zu Peklari sagte, sie müsse unbedingt in diese Richtung weitermachen. Es kam, wie es kommen musste: In einem Moment der Krise dachte sie sich „warum auch nicht?“ und probierte Flamenco ernsthafter aus. „Das veränderte sehr viel in meinem tänzerischen Leben. Ich war zwar bereits eine gute Tänzerin, aber ich war eben nicht außergewöhnlich gut. Bis dahin hatte ich auch keinen eigenen Stil. Für Ballett war ich nicht dünn und flexibel genug, für den zeitgenössischen Tanz war ich nicht „abstrakt“ genug. Im Flamenco hatte ich das Gefühl, meinen Stil gefunden zu haben. Also blieb ich dabei.“ Es folgten Studienaufenthalte in Spanien, das ist klar.
Geprägt wurde sie dabei vor allem von jenen KünstlerInnen, die stark ihren eigenen Gefühlen vertrauen und eigene Wege gehen (müssen): Rafaela Carrasco, Belén Maya, Rocio Molina, Pina Bausch, Gregory Hines, David Bowie, Egon Schiele, Efterklang oder natürlich Israel Galván und Niño de Elche, mit denen sie intensiv für „La Farsa Monea“ bei der Documenta 14 in Athen zusammengearbeitet hat. Yiota Peklari beschränkt sich nicht auf ein Genre, wenn wir sie nach ihren künstlerischen Einflüssen fragen. Genauso wenig wie sie sich nur auf Flamenco als ihre Ausdrucksform beschränkt.
Flamenco und Bodypercussion
Seit vielen Jahren ist sie aktiv in der Bodypercussion-Szene unterwegs. „Ich unterrichte seit 2011 regelmäßig beim „International Body Music Festival“ – dort dabei sein zu können ist eine unglaubliche Bereicherung“ schwärmt sie. „Ich verwende viel von der Methodik und Musikalität dieser Community für meine Flamencoklassen“. Yiota Peklaris Vielseitigkeit, ihr eigener Weg, der aus vielen, klingenden Pflastersteinen zu bestehen scheint und ihr unbedingtes Bedürfnis nach Zusammenspiel lassen bestimmt auch die dritte Ausgabe von „Coétani – Experimental Flamenco Festival“ wieder einzigartig werden. Da sind wir uns sicher!
Einen guten Einblick in die Vielseitigkeit dieser außergewöhnlichen Flamencokünstlerin gibt ihr Vimeo-Kanal https://vimeo.com/yiotapeklari den wir wärmstens empfehlen.