Ich finde den letzten Festivaltag ja immer etwas schwierig. Müdigkeit sitzt in den Knochen und Abschiede liegen in der Luft – von FreundInnen, Choreographiesequenzen und einer liebgewonnenen Routine. Tanzen, trainieren, inspirieren/lassen. Das Flamencofestival im Tanzhaus NRW ist etwas besonderes und das für ein Jahr nun wieder ruhen zu lassen ist an diesem Tag manchmal schwer.
Werkschau des Kurses von Javier Latorre
Dieses Jahr gab es wieder eine Werkschau eines viertägigen Choreographie-Projekts. Javier Latorre choreographierte für fortgeschrittene Tänzerinnen eine Sequenz zu „Pequeño Vals Vienes“ von Enrique Morente. Das zeigten sie am Montag im kleinen Saal. Bemerkenswert fand ich die Synchronizität, das Gehen und Kommen und den Fluss der Choreographie. Und danach das kurze Gespräch zwischen Latorre und Susanne Zellinger. Ich höre Menschen mit Erfahrung oder Meinung gerne zu. Er erzählte über seinen Choreographie-Fundus, den er sich im Laufe seiner Zeit aufgebaut hat, aus dem er nun schöpft. Er erzählte über „La Leyenda del Tiempo“ (Camarón de la Isla) und „Omega“ (Enrique Morente). Und als er sich zum Schluß von den Teilnehmerinnen namentlich verabschiedete war ich gerührt. Fand ich gut.
Translúcido – das was von innen kommt
Dann quasi ohne Pause wechselte das Publikum in den großen Saal, um Christina Hall, Ana Pérez, Carlos Carbonell und Cristian de Moret zuzuschauen/hören, wie sie sich am Begriff „Translúcido“ abarbeiteten. Manchmal fühlte es sich so an. Durch das graue Licht, den Nebel und die Klänge erschufen sie eine düstere Stimmung, die sich nicht änderte. Äpfel lagen am Boden und wurden gebissen und zerschnitten. Die Tanzenden zogen sich aus und an, tanzten Duos, Soli und Trios. Na – eigentlich immer +1, denn Cristian de Moret am Klavier und Gesang war immer dabei, wie der Geschichte-Manipulatör. Es gab schöne und aufregende Szenen. Meine Lieblingsszene: Ana Pérez in kurzer Hose, barfuß, mit offenen Locken und bißchen Afrotanz. Das war so gut.
Beim anschließenden Publikumsgespräch wurde mir einiges klar, das ich nicht erkannte. Translúcido bedeutet „durchscheinend“ und sie interpretierten das als das Durchscheinen von dem, was eigentlich, wahrhaftig in einer/einem steckt. Davon ausgehend entwickelten sie Szenen und assoziierten Begriffe, die sie vertanzten. Beziehungsmomente. Gefühlsschwingungen. Immer mit einer offenen Türe, um dem Publikum den Platz für eigenes Durchscheinen zu geben. Man müsse nicht alles verstehen, sondern bekomme Anhaltspunkte.
Ihr Stück, eine beauftragte Uraufführung, wirkte auf mich noch nicht fertig oder rund. Das soll noch kommen, finde ich! Und es wird auch. Es ist ein guter Ausgangspunkt…
Zusätzlich muss ich sagen: ich war an diesem Montag außergewöhnlich müde. Und da kenne ich mich: ich werde ungeduldig und oberflächlich. Nicht sehr fähig, um komplexe, konzipierte Tanzstücke aufnehmen zu können oder zu wollen. Eigentlich bin ich in so einer Stimmung völlig ungeeignet als Publikum, das reflektieren sollte.
Kooperation
Ich werde während des zweiten Festivalwochenendes hier im Blog, auf Twitter @jupe140 und Instagram @jupeclick berichten, das mache ich schon seit vielen Jahren so. Ich freue mich sehr, dass meine Arbeit vom Festival und speziell von Dorothee Schackow honoriert wird, danke! Deshalb werde ich alle Blog-Beiträge, die während des Festivals entstehen, kennzeichnen (im Bild steht dann „Reporterin“ mit drauf).