Seit einigen Jahren arbeite ich mit Marko Dumancic zusammen. Mal in einer Band, mal gestalten wir den Unterricht gemeinsam und jetzt wieder in einer Band. Ich fragte mich: wie ist der Weg von einem, der so mühelos Prince mit Fandangos kombiniert und daraus etwas eigenes macht? Also fragte ich nach und schrieb dieses Portrait für die ¡anda!
Der Nino war´s!
Der Nachbar in Zagreb hat nämlich dem vierjährigen Marko Platten vorgespielt – Jazz, Klassik und auch Flamenco. Obwohl Markos Familie durchaus musikalisch war, war es doch Nino, der dadurch die Liebe zur Musik in Marko entfachte. „Als ich dann mit acht Jahren an eine Musikschule gehen konnte, wollte ich eigentlich Klavier spielen – meine Mutter meinte aber, dass ich aus Platzgründen lieber Gitarre lernen sollte“, erzählt Marko Dumancic von seinen musikalischen Anfängen in Zagreb (Kroatien).
Als er in seiner Jugend in mehreren Bands spielte war für ihn dann schnell klar, dass die Musik sein Weg sein würde.
Doch kein klassischer Gitarrist
Anfang 20 übersiedelte er nach Wien. Warum Wien?
„Ich habe die Aufnahmsprüfungen für die beiden Musikhochschulen, also das Konservatorium und die Hochschule für Musik und darstellende Kunst, geschafft und in beiden Häusern bei unterschiedlichen Lehrern klassische Gitarre gespielt – dass sie das zugelassen haben, war ziemlich ungewöhnlich“, sagt er.
Man könnte meinen: Typisch Marko Dumancic – immer schon auf der Suche, nach nicht nur einer Lehrmeinung sondern mehreren Blickwinkeln! Danach wurde er selbst Lehrer für klassische Gitarre. Für zehn Jahre unterrichtete er am Gustav Mahler Konservatorium und wurde zusehends unzufriedener. Er sah sich nicht als Interpret der klassischen Literatur und konnte immer weniger mit der klassischen Gitarre anfangen. „Also ließ ich das Unterrichten am Konservatorium bleiben, es kam mir nicht mehr ehrlich vor. Ich spielte dann in unterschiedlichen Bands und veröffentlichte meine erste World-Music-CD ´Tea of a Camel´s Hair`. Ich wollte das Banderlebnis des gemeinsamen Schaffens auskosten“.
Marko Dumancic trifft wieder auf Flamenco
Als seine Frau den Flamenco für sich entdeckte und begann, Unterricht zu nehmen, kam auch der Flamenco wieder in Dumancics Leben zurück. Er nahm Privatstunden bei Morenito de Triana und es wurde ihm dann schnell klar, dass er hier weiterlernen musste:
„Ich wollte mehr!“.
Es folgte, was bei vielen folgt: ein Aufenthalt in Sevilla, wo er ein einschneidendes Erlebnis bei einem Konzert von Manuel Liñan hatte: „Seine Energie und Hingabe haben mich so überwältigt, dass ich aufstehen und den Sessel durch die Luft schmeißen wollte vor lauter Energie!“. Er nahm Unterricht, hörte und übte viel, aber richtig verstanden habe er vieles vom Flamenco erst, als er sich auf das Zusammenspiel zwischen Tanz, Gitarre und Gesang konzentrierte – „und an das, was ich bei Liñan in Sevilla begriffen habe, kommt kaum etwas heran“. In Wien machte er sich auf die Suche nach Gleichgesinnten. Durch die Peña Flamenca ´la Granaina´ kam er in Kontakt mit vielen anderen Aficionados, die ihren Weg mit Flamenco gehen wollen. Durch den Flamenco hat sich sein Blick auf die Musik verändert, sagt er:
„Es muss nicht immer alles schön im Sinne eines ästhetischen Ideals sein, oft ist das Dreckige ehrlicher und direkter“.
Um das auskosten zu können musste aber das passende Instrument her. Ein befreundeter Flamencogitarrist in Wien überredete Marko Dumancic schließlich zu einer gemeinsamen Reise nach Freiburg im Breisgau zu Mundo Flamenco. „Bei Johannes Inhoffen probierten wir viele unterschiedliche Flamencogitarren, aber da war nicht die eine dabei“ erzählt er von seiner Reise. „Schließlich holte Inhoffen zwei ganz frische Gitarren hervor. Nach dem ersten Ton wusste ich: das ist meine – und mein Freund kaufte sich die Zwillingsgitarre dazu.“ Die Schellack-Lackierung war noch nicht mal getrocknet, als die beiden Flamencogitarristen mit ihren Schätzen wieder zurück nach Wien fuhren und daraufhin etliche Konzerte gaben.
Wo blieb die Unschuld?
Gleichzeitig begann sich eine andere Seite in Marko Dumancics Herz zu regen: Er suchte Leichtigkeit, Reinheit, Unschuld und Naivität in der Musik und fand sie in der Renaissance und dem Spiel auf der Laute. „Ich habe diese Aspekte im Flamenco vermisst. Die Laute ist ein Instrument, das so wunderbar rein und zart ist, ganz anders als die Flamencogitarre“, erzählt Dumancic. Zwischen Laute und Flamencogitarre ist ja eigentlich alles anders – vom Klang angefangen bis zur Handhaltung.
„Die Lautenmusik ist ein ganzes Universum für sich, das auch eine andere Herangehensweise an die Musik erfordert. Das kontrapunktische Verstehen der Musik in der Renaissance steht dem akkordischen Spiel auf der Flamencogitarre diametral gegenüber“ erklärt er den Ursprung seiner darauffolgenden Zerrissenheit.
Hier Flamenco – da die Laute. Kaum zu vereinen. Und dennoch geht er lange Zeit beide Wege getrennt und lässt sich sogar eine Archiliuto anfertigen, auf die er zwei Jahre geduldig wartet. Dumancic erzählt, warum: „Lauten sind prinzipiell keine sehr gebräuchlichen Instrumente, es gibt kaum Geschäfte und die meisten Lauten sind ohnehin ´custom made`. So bin ich zum Lautenbauer Karl Kirchmeyer gegangen und habe mich für die Archiliuto mit 14 Chören entschieden“.
Es geht beides
Die Zerrissenheit zwischen Flamencogitarre und Laute hat letztendlich zu einem wichtigen Schritt geführt – statt eines der beiden aufzugeben, entschied sich Marko Dumancic beides zu behalten und einen Weg der Vereinigung zu finden: „Ich habe begonnen, beide Instrumente zu kombinieren und entwickle Stücke, die das zulassen“.
Die Ehrlichkeit zu sich selbst ist etwas, das Marko Dumancic im Laufe der Zeit immer weiter in den Vordergrund gestellt hat – und das ist es auch, was er seinen SchülerInnen in der Musikschule vermitteln will: „Ich betreue in der Musikschule verschiedene Formationen, von Flamencoensembles bis Pop-Bands. Ich lasse die Bands nicht einfach Songs nach Noten nachspielen, sondern versuche mit ihnen gemeinsam die Musik in den Liedern zu verstehen. Was bedeuten die Texte? Wie harmonisieren sie mit den Akkorden? Ich hoffe, dass meine SchülerInnen dadurch ihre eigene Interpretation finden können – und vielleicht sogar eigene Musik erschaffen können.“ Eigene Interpretationen entwickeln, seinen Leidenschaften treu bleiben und neue Wege gehen – das ist es, was Marko Dumancic seit etwa einem Jahr mit seiner neuen Band Waschsalon konsequent weiterverfolgt: „Wir kombinieren klassischen Flamenco, Renaissance, Popmusik und Folklore in Musik, Tanz und Gesang. Ich bin sehr froh, mit Eva Isabella Divotgey und Julia Petschinka so offene und neugierige Bandkolleginnen gefunden zu haben. Ich kann meine gesamte musikalische Palette und natürlich meine Laute in unsere Band Waschsalon einbringen, das ist schon sehr toll!“.
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Der Text erschien in der Flamencozeitschrift ¡anda! Nr. 141. Fotos: Christopher Spitzenberger.