Es ist wieder ImPulsTanz-Festivalzeit in Wien. Das bedeutendste Festival für zeitgenössichen Tanz (der Welt! Europas! Österreichs!) belebt und bewegt die Stadt und mich. Und wie fast jedes Jahr stelle ich die Frage: wo ist der Flamenco im Festival? Wo sind die Flamencos? Dieses Jahr hat es der Flamenco immerhin schon über die Werbung in das Programmheft geschafft. Es ist eine langsame Wiederannäherung – über die ich auch hier schon mal geschrieben habe.
Im Programm und auf der ImPulsTanz-Website finde ich für 2015 sonst nichts und niemand zum Thema Flamenco. Über mehrere Ecken und Kanten habe ich aber dennoch den mexikanischen Flamenoctänzer Ricardo Rubio entdeckt, der mit Robert Steijn an „Flamenco meets Shamanism“ in einer Residenz arbeitet. Na schau, ein kleines bißchen Flamenco gibt es doch auch dieses Jahr – leider fast unsichtbar. Das ist sehr schade. Wieso ist das so?
Warum werde ich nicht müde?
Ich könnte es ja auch lassen, das jährliche Nachfragen wo denn der Flamenco bliebe. Aber ich werde nicht müde. Schon gar nicht, wenn ich die aktuellen Entwicklungen im Flamenco-Unterricht beobachte, zum Beispiel.
Zwei wesentliche Pfeiler von ImPulsTanz sind ja der Unterricht und die Performances. In beiden gab es schon mal mehr Flamenco.
Der Unterricht in den Workshops findet in den Art4Art-Studios im Arsenal statt – riesige, helle, wunderbare Räume, in denen während des Rests des Jahres Bühnenbilder und Requisiten für Tanz-und Theater-Produktionen gebaut werden. Die meisten Säle hallen stark, da würden keine Flamencoschuh-Sequenzen passen, denke ich. Es gibt aber genügend Säle im Workshop-Areal, die auch für den Flamenco geeignet werden, wenn Flamencoschuhe getragen werden müssen.
Flamenco heute ist anders als Flamenco gestern oder vorgestern!
Für beide Impulstanz-Schienen, also die Workshops und die Performances, gibt es Flamenco-KünstlerInnen, die passen würden. Der Flamenco und die FlamencokünstlerInnen entwickelt sich in einem rasenden Tempo weiter.
Als Beispiel für den Unterricht, der für ImPulsTanz passen würde: Vor allem der spanische Tänzer, Pädagoge und Choreograph Juan Carlos Lérdia hat in vergangenen Jahren den Flamencotanz-Unterricht komplett neu gestaltet und umgekrempelt – weg von takatakataka-un-dos hin zu einer organischen Bewegungssprache. Er schreibt darüber sehr ausführlich in seinem Blog (auf spanisch); er verwendet in seinem Unterricht beispielsweise (Improvisations)techniken des zeitgenössichen Tanzes – und das nicht als eigenständige Übung sondern als integraler Bestandteil. Weil es passt und einen breiteren Zugang zu den Flamenco-Bewegungen bietet. Er hat eine neue Methode entwickelt, die perkussive Fußtechnik („zapatedo“) erlernbar und gestaltbar zu machen. Er arbeitet mit Bildern, die dem kollektiven Gedächtnis entspringen (Superhelden!) und ermöglicht damit speziell auch Tänzerinnen und Tänzern anderer Disziplinen und Länder, die mit anderen (Körper)geschichten in den Unterricht kommen, Flamenco zu lernen und zu verwenden.
Es gibt aber auch andere Beispiele – gerne finde ich sie und beschreibe sie…
Als Beispiel für Performances: was soll ich sagen, hier fällt mir eine Empfehlung schwerer, weil sich viele FlamencokünstlerInnen mit anderen Zugängen, Entwicklungen, Möglichkeiten für ihre Stücke auseinandersetzen. Viel mehr als für ihren eigenen Unterricht. Ein paar Beispiele: Israel Galvan, Rocio Molina, Juan Carlos Lérida, Compania Marco Vargas – Chloe Brule,…
Und dann gibt es ja auch noch das Projekt „de estética flamenca“ von Juan Carlos Lérida und mir, das stark in den Unterricht von Juan Carlos Lérida einfließt und sich auf Ebene von Bildern außerhalb des Flamenco-Kontextes mit Flamenco auseinandersetzt. Und Pedro G Romero macht großartige Flamenco-Welten sichtbar und neu mit seiner theoretischen Annäherung. Er ist ohnehin eine Institution.
Flamenco bei anderen Festivals – zum Beispiel in Bozen
Ja, das Tanzfestival Bozen ist kleiner, kompakter, überschaubarer als ImPulsTanz. Aber ich habe eben wieder das Programm durchgeschaut und wurde wieder daran erinnert: dort gibt es seit Jahren sowohl Flamencotanzworkshops (in beiden Wochen!) die immer fast ausgebucht sind, als auch Flamenco als Programmpunkt, dieses Jahr mit Rocío Molina und La Tremendita.
Also : warum gibt es das nicht längst wieder in Wien?